Irak

Vorweg für alle die sich wundern warum ich jetzt plötzlich im Irak und nicht im Oman bin. Leider hat uns unser Hauptkonkurrent (unsere Ex-Firma) preislich last minute bei der Angebotsabgabe unterboten und durch direkte Kontakte zur Procurement Abteilung des Kunden haben sich unsere lieben Mitbewerber einen erheblichen Wissensvorsprung erschlichen (soll heissen Einsicht in unser Angebot) Das ist sehr ärgerlich, da wir uns bereits grosse Chancen ausrechneten das Projekt zu bekommen. Long story short – wir haben es nicht bekommen und so heisst es jetzt weiter machen und Schwamm drüber. Ali´s performance verdanken wir ein sehr gutes standing beim Kunden im Irak und so lag es nahe, dass ich das Projektteam vor Ort unterstütze. Es wäre gelogen wenn ich behaupten würde, dass ich mich wohl gefühlt habe bei der Entscheidung in den Irak zu gehen und gäbe es auch nur die geringste Chance auf eine Alernative, dann hätte ich es nicht gemacht. Die Tatsache das sowohl Ali, als auch unsere Kollegen Andrew und Maarten seit bereits über einem halben Jahr vor Ort sind und keine nennenswerten Gefahren erlebt haben, war dann aber schlussendlich mit ein Grund doch zuzusagen. Also wieder ein Land mehr auf meiner „Abenteuersammlung“. Fehlt nur noch Afghanistan und Somalia und dann war ich dann wirklich bald in all den Ländern vor dessen Besuch das Aussenamt ausdrücklich warnt.

Abflug Abu Dhabi Sonntag vor einer Woche mit Etihad, direkt nach Bagdhad. Ich fliege mit Ali, was mich erleichtert, da er die Leute am Flughafen kennt und ich nicht riskiere von irgendeinem „Schurken“ abgeholt zu werden. Fast fliegen wir aber gar nicht, da seine Sekretärin in Baghdad vergessen hat sein Ticket zu buchen. Klassisch. Hat dann aber doch noch geklappt (Ali hat ein Eco Ticket kaufen müssen da Business voll war. Der Kunde zahlt Business. Angenehm, aber der Flug dauert ohnehin nur 2,5 Stunden. Ankunft Baghdad Int Airport. Ich gebe einem der Abholer von unserem Kunden meine Visakopie und er verschwindet in irgendeinem Büro. Ali’s connection sei Dank dauert das ganze Theater gerade mal eine halbe Stunde und das trotz des obligatorischen Austria und Australia Irrtums. Ich pick mir igendwann mal ein Pickerl mit der Aufschrift “no kangaroos in Austria“ auf den Pass.
Interessant sind hier übrigens auch die Ein –und Ausreisebestimmungen. Ich habe für den ersten Trip ein Single Entry Visa bekommen. Jetzt muss ich gesondert über den Kunden ein Single Exit Visa beantragen. Diese Woche soll angeblich mein multiple entry visa fertig sein. Das ist aber wohlgemerkt nur ein multiple entry. Es gibt keine multiple exit visas bzw. nur mit spezieller Sondergenehmigung. In der Praxis bedeutet dies, das ich zwar jedesmal ohne speziellem Antrag einreisen kann, ich das Exitvisa aber jedes mal einzeln für die Ausreise beantragen muss. Problem dabei ist, dass jedes visa Pickerl einen ganze Passseite ausfüllt und ich so ziemlich bald wieder einen neuen Pass beantragen muss. Das muss dann natürlich wieder super getimed werden, da ein die Passausstellung über die Botschaft in Abu Dhabi ca. an die 3 Wochen dauert. Eventuell geht es sich beim Wienbesuch zu Weihnachten aus (aber da sind dann wieder Feiertage). Schön ist das Consultantleben....

Nach Passkontrolle und Gepäckausgabe treffen wir unsere Security Eskorte. Vom Kunden engangiert sind zwei Firmen speziell für den Aiport Transfer zuständig. Beim ersten Anblick muss ich sofort an Blackwater denken. Zwei stämmige Amys in Khakimilitärhosen und Military boots. Oakleys und Tatoos von den Militäreinheiten denen sie angehörten (USMC und Konsorten). Wie im Film. Wir gehen zum Parkplatz und zu unserem Fahrzeug. Ein Toyota Camry in Spezialausführung wie wir erfahren. Gepanzertes Glas. Seiten, -Boden und Dachverstärkung. Hält angeblich bis zu Kaliber 7.62mm aus (AK47 & Co) und auch kleineren Sprengsätzen kann es angeblich stand halten. Will ich alles nicht ausprobieren aber es beruhigt doch ein wenig. Beim einsteigen am Parkplatz werden wir gefragt ob wir bullet proof vests anziehen wollen. Es sei unsere Entscheidung. Es war heiss an dem Tag und diese Dinger wiegen an die 12kg und da wir durch den ganzen Tam Tam ohnehin schon sehr auffällig waren, wollte ich mir die extra Geschichte ersparen (Ali glaubt ohnehin nicht an die Dinger). Zudem fühlte ich mich in dem Auto echt sicher. Wenn man an die Scheibe klopft, dann hört man kein Klopfen, so dick sind die Dinger. Als unsere Beschützer auf den Vordersitzen Platz nehmen, magazinieren sie ihre Maschinenpistolen und Pistolen auf und laden durch. Irgendwie wirkte das ein wenig aufgesetzt und wie zur Show, aber andererseits erinnerte es mich auch daran, dass es wohl einen Grund dafür gibt.

Der Flughafen in Baghdad und die unmittelbaren Zubringerwege sind hermetisch abgeriegelt und durch diverse checkpoints und andere Systeme gesichert. Iraker erhalten ohne Genehmigung oder Reisedokument keine Passiergenehmigung. Wenn ein Iraker jemanden zum Flughafen bringen will, dann muss er seinen Gast ca. 1km vor dem Gelände ausladen und die Reisenden müssen dann einen shuttle Bus nehmen. Überall HUMVEES und Schussanlagen. Die checkpoints sind so angelegt, dass man diese nur im Zick Zack und sehr langsam passieren kann. Macht Sinn. Überall über der Stadt kreisen ständig Blackhawks und Appaches über unsere Köpfen. Angeblich sind diese aber von Blackwater gemietet (oder XE oder wie auch immer die jetzt heissen).

Beim passieren der Hauptausfahrt, schliessen sich zwei weitere Fahrzeuge unserem Konvoi an. Die sind zwar nicht gepanzert, dafür sitzen aber vorne und hinten jeweils 4 Typen mit autom. Waffen. Die Fahrzeuge stehen in Funkkontakt miteinander und alle 2 Minuten werden Fahrtrichtung und Situationsberichte ausgetauscht. Two vehicles approaching on your 3 o´clock. Copy that. Usw Usf. Wie gesagt, ich weiss nicht was ich von dem ganzen Getue halten soll, aber zumind. wirken sie koordiniert. Kein anderes Fahrzeug wird zwischen den Konvoifahrzeugen toleriert und das ist im dichten Morgenverkehr mitunter eine komplexe Angelegenheit für die nicht jeder Verkehrsteilnehmer Verständnis aufzubringen scheint. Auf Grund der zahlreichen checkpoints kommt der Strassenverkehr oft zum Stillstand und so stehen auch wir ca. 1 Stunde lang im Stau. Das beunruhigt mich ein wenig, da ich mir da ein wenig wie sitting duck vorkomme aber mangels Alternativen bleibt einem nichts anderes über als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Etwas nervös werde ich jedoch wann immer ich Strassenverkäufer erblicke, die Kleenex Boxen verkaufen. Ali hat mir erzählt, dass diese Kleenexboxen neuerdings als Haftbomben modifiziert am Fahrzeugunterboden angebracht werden. Daher inspiziere ich jeden Strassenverkäufer äusserst genau. Scheinbar sind unsere Aufpasser aber ziemlich relaxed und ich bin mir sicher, dass das erste Mal immer von einem gewissen Ausmass an Nervosität geprägt ist. Nach einer langen aber ruhigen Fahrt kommen wir beim Compound unseres Kunden an und wir werden „übergeben“. Der Compound des Kunden ist im Prinzip nichts anderes wie zwei Strassen die parallel verlaufen und auf einer Strecke von ca. 10 Häuserblocks am Anfang und Ende jeweils mit riesigen security gates und an den Seiten mit Wänden abgesichert sind. So als ob man ein Rechteck einfach auf eine Wohnsiedlung stülpt. Die Ein und Ausfahrten sind ähnlich gut gesichert wie am Flughafen und ich erblicke überall Kameras und Maschinengewehrposten. Keiner darf ohne Berechtigung passieren und im compound selbst sorgen ca. 100 bewaffnete Securities vom Kunden für weitere subjektive Sicherheit. Der Leiter der security Abteilung erklärt mir, dass der compound rund um die Uhr sowohl aussen als auch innen überwacht ist und sie eine direkte Leitung zu Militär, Polizei und Innnenministerium haben. Macht Sinn da Mobiltelefonie auch eine für die Regierung krisennotwendige Kommunikationsstruktur darstellt und entsprechend gut geschützt werden muss. Zahlreiche Stromgeneratoren im Compound sorgen für unabhängige Versorgung. Angeglich hätte man sonst nur kaum Strom und ich möchte nicht wissen, wie oft es in der Stadt sonst Strom gibt.

Die Büros und Schlafmöglichkeiten sind allesamt in den zahlreichen Villen untergebracht. Im Inneren der Bürohäuser sieht es aus wie in jedem anderen Büro in der Region, aber von aussen denkt man eher an Mehrfamilienhäuser.

Unsere Villa ist gross, komfortabel und sauber. Wir haben einen eigenen Koch und das Essen ist lecker. Passt also. Einzig die Freizeitbeschäftigungen sind eher kläglich. Wir haben einen PingPong Tisch im Garten und das wars auch schon. Ich bin jetzt erst eine Woche hier (das erste Wochenende hier steht mir noch bevor) und ich fühle mich jetzt schon klaustrophobisch. Verlassen darf man den Compound nur mit Genehmigung und Eskorte die man vorab bestellen muss. Ein Stadtbesuch käme angeblich aber auf Grund der erhöhten Sicherheitsbedrohung (Entführung oder Angriff) ohnehin nicht in Frage. Ali war bereits öfter unterwegs, aber er ist a) nicht als Ausländer zu erkennen und hat b) gute Kontakte zu diversen Militärs und fühlt sich dadurch relativ sicher. Meines Wissens nach werden bei Entführungen schon längst keine ethnischen Unterschiede mehr gemacht und daher denke ich, dass er sich sehr wohl gefährdet. Unser compound liegt im Stadtteil Mansour und uns wurde gesagt, dass dies der zur Zeit unsicherste Teil Baghdads ist. Viele Leute aus der mittleren und gehobenen Volksschicht leben hier und eignen sich deshalb wohl besonders gut für Angriffe von Al-Kaida und ihren lokalen Ablegern. Beruhigend, nicht wahr? Ali hat vom Kunden eine Pistole zum Selbstschutz bekommen und ich hab bereits ebenfalls eine beantragt. Das dient aber mehr zur Selbstberuhigung da es unwahrscheinlich ist, dass jemand an all den Wachen und den Sicherheitssystem vorbeikommt. Vor kurzem fand hier in der Gegend ein Überfall auf einen Juwelierladen statt und es kam zu einer Strassenschiesserei. Sofort wurden alle gates dicht gemacht und alle Angestellten wurden in ihren Unterkünften isoliert und es wimmelte von Wachen und Sicherheitspersonal. Es gibt einige Südafrikaner die hier als Betreuer oder Securities angestellt sind und zusammen mit den professionell agierenden Irakern gibt es da scheinbar ausreichend know how für derartige Szenarien. Es gibt angeblich auch einen eigenen safety room sollte es jemand doch schaffen den Sicherheitskorridor zu überwinden. Einzig manche Wachen die im Compound selbst angestellt sind, wirken ein wenig unmotiviert und laks. Gewehr mit Lauf am Fuss abgestützt, Kinn am Lauf abgestützt, etc. Aber gut, den ganzen Tag im Freien hocken macht wahrscheinlich jeden irgendwann mürbe und nachlässig. Zu dem Stichwort gleich meine erste Schrecksequenz. Ich gehe vor ein paar Tag von einem Büro zum anderen und höre plötzlich das typische Rattern eines Maschinengewehrs in unmittelbarer Nähe vor dem compound. Später erfahre ich, dass sich zwei Soldaten mit ihren Waffen gespielt haben und einer den anderen dabei versehentlich erschossen hat. And the darwin award goes to...

Es dauert ein wenig bis man die anfängliche Nervosität ablegt. Am ersten Tag schaut man bei jedem Generatoranspringen auf. Wenn jemand eine Tür zuknallt, dann legt man die Ohren an, etc. Das legt man aber relativ schnell ab. Eine gesunde Grundanspannung ist dennoch omnipräsent und wahrscheinlich auch berechtigt.

Es ist schade, da ich mir Baghdad gerne angesehen hätte. Ich war noch nie irgendwo so isoliert vom Leben wie hier. Selbst in Khartoum, Abidjan und sogar Monrovia konnte man etwas unternehmen oder zumind. mal auswärts essen gehen. Ist ein eigenartiges Gefühl und ich frage mich wie lange ich das aushalten werde. Geplant ist mal bis Jahresende zu bleiben und dann sehen wir weiter. Zwei Wochen am Stück vor Ort und jeweils 2 Wochenenden in Dubai. Ähnlich wie damals im Oman und machbar.

Meiner Gesundheit tue ich jedenfalls hier nichts Gutes da erstens alle ständig und überall (und ich meine überall) tschicken und mangels Bewegungsraum auch Sport nicht in Frage kommt. Vom allabendlichen Tischtennis mal abgesehen.

Photos in Kürze aber nicht zu viel erwarten, da das Leben im compound nur begrenzt sehenswerte Motive bietet.
benq - 1. Nov, 11:46

Schön mal wieder

was von dir zu hören.
Aber so freiwillig würde ich nicht in den Irak gehen, als Frau ist es wahrscheinlich noch gefährlicher.

Ja es gibt so Firmen... die geben ein Angebot ab, rufen direkt danach an und sagen noch bescheid, dass sie angerufen werden möchten, wenn ein günstigeres Angebot vorliegt, da man eventl. noch vergleichen und schauen kann, wo der Konkurrent preislich liegt.

Da ist aber noch die Möglichkeit, dass die Firma sich ein Angebot einholt hat, beim nächsten Anbieter anruft und sagt: uns liegt hier ein Angebot vor, könnt ihr noch was machen!?

Ansonsten hoffe ich, dass du die Zeit gut überstehst und bald einen Ortswechsel vornimmst.

GLG
BenQ

danielt - 2. Nov, 07:30

HI Benq

ja, lang ists her.

Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass Terroristen geschlechterspezifische Unterscheidungen machen :-)

Ja, gibt es in der Tat. Das ist natürlich immer das haarige Spiel wieviel man anfänglich anbietet um einerseits genug Verhandlungspielraum zu haben, aber sich andererseits nicht gleich selbst abschiesst wenn die Anfangslatte zu hoch ist.

Und ich glaube übrigens, das fast jede Procurement Abteilung ohnehin so vorgeht.

Danke Benq, hoffe dir gehts auch gut

glg
Daniel
MastaB3030 - 8. Nov, 14:23

Hi mein Freund!

Wie schon per Mail gschrieben! Pass auf Dich auf mein Freund! Mir scheint es macht Sinn einen Basis Intelligenztest mit dem ein oder anderen Wachpersonal durchzuführen, nur um im Ranking zum Daward Award sicher zu gehen. Das mit der eigenen Puffen find ich OK, Du hast ja genug erfahrung im Umgang. Nur blos keine Räuber und Gendarm spiele aus Faadheit mit dem Ali machen!

Mach ein paar Pics vom Büro aus! Wär spannend wie's dort ausschaut!

Grüße an euch, C

danielt - 10. Nov, 08:56

Ich werde es vorschlagen :-)

Ali hat unserem Kollegen 1000 USD angeboten, wenn er ihm in den Ar.... schiessen darf :-) Noch haben wir keine Zusage, aber ich bin zuversichtlich das wir ihn bald überzeugen können :-))

Mach ich

Danke!!

lg
Daniel

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