Montag, 28. März 2011

Umbruch im Nahen Osten und Afrika - My five cents

Algerien, Tunesien, Ägypten, Libyen, Bahrain, Yemen, Saudi Arabien, Kuwait, Jordanien, Syrien, Oman, wer ist als nächster dran?
Viel bleiben nicht mehr. Katar, die UAE und der Libanon sind bisher verschont geblieben.

Katar ist eines der wohlhabendsten Länder der Golfregion. 70% sind Sunniten und so ist auch die Staatsreligion. Meist sind es die ausländischen, arabischen Bewohner die schiitischen Glaubens sind und daher gibt es da weniger Reibungspotential als beispielsweise in Bahrain, wo die schiitische Mehrheit von einem sunnitischem Königshaus unterdrückt wird.

In den UAE gibt es zwar auch vereinzelt Spannungen auf Grund der vielen Klassenunterschiede (Status je nach Clanzugehörigkeit) aber im Grossen und Ganzen sind die Emiratis mehr als zufrieden mit ihrer Regierung. Es gibt darüber hinaus seit Jahren bereits sogenannte "Emiratisierungsprogramme", in denen inländische wie ausländische Arbeitgeber eine gewisse Emirati Quote erfüllen müssen. Nebst den offensichtlichen benefits ist so auch eine gewisse Jobsicherheit gegeben. Einmal angestellt ist es faktisch unmöglich einen Emirati zu kündigen. In Anbetracht all dieser Umstände halte ich es für wenig realistisch, dass es hier zu gröberen Unruhen kommen wird. Jedoch hätte ich mir das auch in Syrien und Bahrain niemals denken können.

Der Libanon hat viele, komplexe politische Herausforderungen und eine de facto nicht existente bzw. funktionstüchtige Regierung. Nebst dem allgegenwärtigen Risiko eines durch die Hisbollah neuerlich entfachten Krieges mit Israel, bleibt nicht viel Potential für eine hausgemachte Revolution.

Eine Revolution im Iran würde zwar in der Region selbst, sowohl als auch im Westen generell eine besondere Zustimmung erfahren, jedoch sind bisherige Versuche immer recht effektiv durch das Regime zerschlagen worden. Zu allmächtig scheinen staatliche Kontrolle und Abschreckung zu sein. Gewiss ist aber definitiv, dass sowohl USA als auch die meisten Nachbarländer im Golf eine Staatsrevolte umgehend und mit voller Härte unterstützen würden. Dafür müssten aber massive Militärschläge in Kauf genommen werden, die auf Grund der potentiellen militärischen und nuklearen Bedrohung Iran´s wohl eher unwahrscheinlich bleiben.

Ein Schauplatzwechsel führt uns an die Elfenbeinküste, wo seit Monaten ein Ausnahmezustand herrscht. Der österreichische Konsul, den ich bei meinem Aufenthalt vorletzten Jahres kennen gelernt habe, berichtete mir vor kurzem, dass ganz Abidjan faktisch still gelegt ist. Nahrungsmittel sind knapp oder aus. Benzin ist nur noch sporadisch und gegen Unsummen zu erwerben. Das Bankensystem ist komplett zusammen gebrochen (und so natürlich auch Gehaltszahlungen und damit verbunden Lieferantenausfälle) usw usf. Noch harrt er mit seiner Familie auf einer nahe gelegenen Inselsiedlung aus. Aber bald muss auch er den Rückzug antreten und die Situation im Ausland abwarten. Ich kann mich noch genau erinnern wie er uns damals gesagt hat, dass wir unser Projekt besser abschliessen, bevor es zu Wahlen kommt. Damals waren Wahlen am Ende unserer Projektzeit angesetzt und wurden dann (glücklicherweise?) verschoben. Was sich aus der jetzigen Lage ergibt, bleibt abzuwarten. Ohne militärische Intervention von Aussen wird es aber wohl bald einen Bürgerkrieg geben und das einstige Vorzeigeland Westafrikas wird dann wieder um Lichtjahre in eine düstere Vergangenheit befördert.

Schon seltsam irgendwie. Ich war in den meisten dieser Länder über Monate hinweg auf diversen Projekten und scheinbar war mein timing immer gold richtig. Ich hoffe natürlich, dass das so bleibt :-)

Ob dieser länderübergreifende Umbruch eine Verbesserung bringen wird steht in den Sternen. Im Irak, meinem derzeitigen "Wohnort", gibt es seit dem Sturz Saddam´s nach wie vor keine funktionierende Regierung und ethnische, sowie religiöse Konflikte sorgen nach wie vor für kriegsähnliche Zustände. Wirtschaft und Infrastruktur sind nach wie vor stark belastet und obwohl sich die Sicherheitslage seit 2006 stark gebessert hat, kann von Stabilität noch lange keine Rede sein. Jeder Umsturz ist nur so erfolgreich wie die Chance die man danach nutzt.

Interessant bei all dem ist die Türkei, die zwar riesiges Potential für einen Volksaufstand ungeahnter Grössenordnung bieten würde, sich aber irgendwie selbst ausbalanciert. Vielleicht liegt es aber einfach auch nur an der relativ betrachteten, kleineren Menge der "andersdenkenden", dass es bisher noch nicht eskaliert ist. Kurden, Alawiten und Christen stehen einer Übermacht an fast 70 Millionen Sunniten gegenüber und da wäre jeder religiös bedingte Aufstand schon im Keim erstickt. Wirtschaftlich geht es in der Türkei seit Jahren enorm aufwärts und durch die Annäherung an den Nahen Osten sind Abhängigkeiten der EU gegenüber neuen Potentialen im Osten gewichen. Die Enthauptung der Militärführung durch Erdogan, die als einzige eine reale Umsturzgefahr darstellte, führte zu einer quasi "Allmacht" der AKP Regierung. Akademiker und Künstler sind seit jeher kritisch ihrer Regierung gegenüber. Jedoch ist die im Bevölkerungsschnitt vergleichsweise geringe Anzahl dieser Gruppe nicht ausreichend um eine wirkliche Gefahr für die Regierung darzustellen.

Bleibt zu hoffen, dass sich zumindestens in einigen der vielen Länder im Nahen Osten etwas zum Besseren ändern wird. Ich wünsche es all meinen ehemaligen Kollegen, Freunden oder Bekannten in dieser Region, die einfach nur ein normales Leben führen wollen.

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